Wer gerade erkannt hat, dass er sein eventuell für die Altersvorsorge gedachtes Geld bei einem Anlagebetrug verloren hat, ist besonders empfänglich für Anbieter, die versprechen, ihm sein Geld oder wenigstens einen Teil davon zurückzugeben oder zu -holen. Das nutzen spezialisierte Betrugsbanden aus. Sie bieten zum Beispiel an, die jeweiligen Beteiligungen zum seinerzeitigen Investitionspreis angeblich zu übernehmen. Manchmal kommt aber auch von einer angeblichen Rechtsanwaltskanzlei ein Angebot, erfolgversprechende juristische Maßnahmen zu ergreifen.
Dass dahinter Betrug steckt, kann man vor allem daran erkennen, dass die Anbieter in beiden Fällen nur gegen Vorkasse der meist nicht geringen "Gebühren" tätig werden wollen. Die Hoffnungen der Anleger werden dann, nachdem sie die Gebühren überwiesen haben, mehr als getrübt. Die Betrüger sind plötzlich unauffindbar, weshalb weder der geplante Verkauf der Beteiligung noch die in Aussicht gestellte aussichtsreiche juristische Intervention stattfinden können.
Die Beschaffung der Adressen geschädigter Anleger findet in der Regel auf zwei Wegen statt. Zum einen verkaufen die Initiatoren der ursprünglichen und jetzt gescheiterten Anlage häufig die Adressen an Betrüger. Andererseits landen geschädigte Anleger, die im Internet versuchen, Informationen über ihre ursprüngliche Anlage zu erhalten, leicht in sogenannten "Recovery Rooms", die dann Zugang zu den Internetadressen des Anlegers verschaffen.
Die Kontaktaufnahme findet häufig durch angebliche Mitarbeiter von Rechtsanwalts- oder Steuerberatungskanzleien, gelegentlich auch durch angebliche Polizisten statt. Manchmal meldet sich auch der Vermittler der ursprünglichen Anlage beim geschädigten Anleger mit einer hoffnungsfrohen Botschaft.
Die Wiederbeschaffung der bezahlten "Gebühren" oder gar die Umsetzung der Versprechen ist meist nicht möglich oder findet schlicht nicht statt - siehe oben. Der Schaden des Anlegers hat sich so um die "Gebühren" erhöht.
Diese Abzockmethode ist trotz ihrer einfach anmutenden Abläufe durchaus zeitintensiv, weil sie die Hoffnung der Anleger, eventuell für längere Zeit, schürt. Deshalb besteht die Gefahr, dass diese den Ablauf der Verjährungsfrist für Schadenersatzforderungen aus dem Auge verlieren. Ein frühzeitiger Gang zur Verbraucherzentrale oder zum Rechtsanwalt ist dringend zu empfehlen.
Weiterhin wichtig ist die Erstattung einer Strafanzeige bei der Polizei oder der örtlich zuständigen Staatsanwaltschaft. Immerhin könnte es sein, dass aufgrund der Anzeigen anderer Geschädigter bereits Verfahren anhängig sind, die immerhin eine kleine Hoffnung auf Schadenminderung am Leben erhalten.
Natürlich gibt es diese Methoden in Deutschland seit langer Zeit. Neu ist die europäische Komponente, die nun zu einer ausführlichen Warnung der belgisch-niederländischen Finanzmarktbehörde FSMA führte. Neu sind auch die Möglichkeiten, die das Internet solchen Betrügern bietet. Besonders bei gescheiterten Anlagen, bei denen schon die Kontaktaufnahme über das Internet stattfand (Trading-Angebote, Crowd-Investing), ist im Schadenfall die Chance auf einen betrügerischen "Recovery Room" hoch.
*Hinweis zur Bedeutung des Begriffs" Recovery Room" = Aufwachraum: Der Begriff wird im Englischen, wie auch die deutsche Übersetzung, im Allgemeinen für den Raum verwendet, in dem Frischoperierte in der Klinik aus der Narkose erwachen. Die Verwendung des Begriffs für den geschilderten Vorgang ist erst auf den zweiten Blick verständlich: Im "Recovery Room" werden in dem beschriebenen Fall die bereits stark gesunkenen Hoffnungen des Anlegers wiederhergestellt = eine mögliche Übersetzung des Adjektivs recovered. Dass dies im obigen Fall mittels eines Betruges (= fraud) geschieht, wird der betroffene Anleger zunächst nicht ahnen.
Dieser Beitrag wurde erstellt von Helmut Kapferer.
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