Der Kläger war ein als qualifizierte Einrichtung im Sinne von § 4 U-KlaG (Unterlassungsklagengesetz) eingetragener Verein. Er nahm den beklagten Versicherer auf Unterlassung der Verwendung der Formulierung "erhöhte" Kraftanstrengung in dessen Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen (im Folgenden: AUB 2010) in Anspruch.
In Ziffer 1 der vereinbarten AUB 2010 hieß es unter der Überschrift "Der Versicherungsumfang" u.a.: "Als Unfall gilt auch, wenn durch eine erhöhte Kraftanstrengung an Gliedmaßen oder Wirbelsäule - ein Gelenk verrenkt wird oder - Muskeln, Sehnen, Bänder oder Kapseln gezerrt oder zerrissen werden ..."
Der Kläger hielt die Formulierung "erhöhte" Kraftanstrengung in Ziffer 1.4 AUB 2010 wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot für unwirksam. Er forderte die Beklagte zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf, was diese ablehnte.
Der BGH sah den Kläger mit folgender Begründung nicht im Recht:
Nach dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB ist der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dabei kommt es nicht nur darauf an, dass die Klausel in ihrer Formulierung für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer verständlich ist. Vielmehr gebieten Treu und Glauben, dass die Klausel die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen soweit erkennen lässt, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann.
Dem Versicherungsnehmer soll bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vor Augen geführt werden, in welchem Umfang er Versicherungsschutz erlangt und welche Umstände seinen Versicherungsschutz gefährden. Nur dann kann er die Entscheidung treffen, ob er den angebotenen Versicherungsschutz nimmt oder nicht.
Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhanges versteht.
In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind.
Unter Anlegung dieser Maßstäbe erweist sich die angegriffene Regelung in Ziffer 1.4 AUB 2010 laut BGH nicht als intransparent.
Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird sich - so der BGH - zunächst am Wortlaut von Ziffer 1.4 AUB 2010 orientieren und das Adjektiv "erhöhte" dem Substantiv "Kraftanstrengung" zuordnen. Anstrengung ist nach allgemeinem Sprachgebrauch eine starke Beanspruchung der Kräfte. Der Versicherungsnehmer wird erkennen, dass die Klausel den Einsatz von Muskelkraft verlangt, und zwar - wie ihm das vorangestellte Wort "erhöhte" verdeutlicht - eine qualifizierte Form von Muskeleinsatz.
Nicht erfasst sind erkennbar normale körperliche Bewegungen oder Tätigkeiten des täglichen Lebens, die zwar einen gewissen Muskeleinsatz, aber nach allgemeiner Lebenserfahrung keine bemerkenswerte Anstrengung erfordern, wie z.B. Gehen, Laufen, Aufstehen, Hocken oder Bücken.
Der Vergleichsmaßstab der "erhöhten" Kraftanstrengung bleibt laut BGH nicht unklar. Nach dem Wortlaut der Klausel kommt es darauf an, dass (und inwieweit) sich der Versicherte angestrengt hat. Daraus wird ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer folgern, dass für die Frage, ob ein Bewegungsablauf oder eine Tätigkeit eine erhöhte Kraftanstrengung im Vergleich zu normalen Abläufen des täglichen Lebens erfordert, auf die individuellen körperlichen Verhältnisse abzustellen ist. Er wird also einen subjektiven Maßstab anlegen.
Dass sich der Einsatz von Muskelkraft auf die Bewegung anderer Massen als die des eigenen Körpers beziehen muss oder dass überhaupt eine Bewegung erforderlich ist, kann der durchschnittliche Versicherungsnehmer dem Wortlaut nicht entnehmen. Vielmehr wird er jeden Einsatz von gesteigerter Muskelkraft unter den Begriff der erhöhten Kraftanstrengung fassen, also auch solche Abläufe, im Zuge derer er durch Muskelanspannung seinen eigenen Körper bewegt oder - wie etwa bei dem erfolglosen Versuch, einen schweren Gegenstand anzuheben - zu bewegen versucht.
Ebenso wenig kommt es nach dem Wortlaut darauf an, ob die erhöhte Kraftanstrengung nur einmalig oder - etwa anlässlich beruflicher oder sportlicher Betätigung - häufig oder regelmäßig ausgeübt wurde.
Der systematische Zusammenhang sowie Sinn und Zweck der Klausel stützen den Versicherungsnehmer bei diesem Verständnis. Er wird aus der Formulierung "gilt auch" folgern, dass Ziffer 1.4 AUB 2010 den in Ziffer 1.3 definierten Unfallbegriff und damit auch den Versicherungsschutz erweitert. Den Zweck des Begriffs "erhöhte" Kraftanstrengung wird er darin sehen, die durch Aufnahme der Unfallfiktion erfolgte Erweiterung des Versicherungsschutzes nicht grenzenlos zu gewähren.
Schließlich weist der BGH darauf hin, dass die Verpflichtung, den Klauselinhalt klar und verständlich zu formulieren, nur im Rahmen des Möglichen besteht. Weder bedarf es eines solchen Grades an Konkretisierung, dass alle Eventualitäten erfasst sind und im Einzelfall keinerlei Zweifelsfragen auftreten können, noch ist ein Verstoß gegen das Transparenzgebot schon dann zu bejahen, wenn Bedingungen noch klarer und verständlicher hätten formuliert werden können.
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