Bei dem Einsatz von Vergütungsbestandteilen und deren steuerlicher Beurteilung kommt es vor allem darauf an, wann diese vom Arbeitgeber "zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn" erbracht werden. Gerade Änderungen von Arbeitsverträgen zur "Optimierung" sind der Finanzverwaltung ein Dorn im Auge. Und genau hier vertrat der Bundesfinanzhof zuletzt eine andere Auffassung als die Finanzverwaltung und urteilte zugunsten der Betroffenen.
Ein weiterer steuerlicher Bereich bei dem die Frage eine Rolle spielt, ob der Arbeitgeber einen Zuschuss "zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn" erbringt, ist die Niedrigverdienerförderung nach § 100 EStG in der betrieblichen Altersversorgung. Hier hatte ein BMF-Schreiben zu vermögenswirksamen Leistungen und § 100 EStG für Irritationen gesorgt. Es stellte sich zunehmend die Frage, wann denn die Förderung steuerlich unbedenklich in Anspruch genommen werden kann.
Erster Akt: Im Referentenentwurf zur Grundrente vom 16.01.2020 fand sich eine Änderung des Einkommensteuergesetzes in Artikel 6 des Gesetzesentwurfs zur Grundrente und sie sollte auch gleich nach Verkündigung des Gesetzes noch in 2020 in Kraft treten. Erklärtes Ziel ist der Ausschluss von Sachverhalten, bei denen der Arbeitnehmer letztlich durch Gehaltsverzicht oder Gehaltsumwandlung die Beiträge finanziert und nicht der Arbeitgeber selbst.
Daher wird nun für das gesamte Einkommensteuergesetz klargestellt, dass mit dem Tatbestandsmerkmal "zusätzlich zum geschuldeten Arbeitslohn" Leistungen des Arbeitgebers (Sachbezüge und Zuschüsse) ausgeschlossen sind, wenn der Wert der Leistung auf den Lohnanspruch des Arbeitnehmers angerechnet wird, der Arbeitnehmer vor der Entstehung oder Fälligkeit seinen Lohnanspruch zugunsten dieser Leistung herabsetzt oder der Arbeitnehmer anstelle einer Lohnerhöhung einen verwendungs- oder zweckgebundenen Bezug erhält.
"Im Sinne dieses Gesetzes werden Leistungen des Arbeitgebers (Sachbezüge oder Zuschüsse) für eine Beschäftigung nur dann zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht, wenn
der Wert der Leistung nicht auf den Anspruch auf Arbeitslohn angerechnet,
der Anspruch auf Arbeitslohn nicht zugunsten der Leistung herabgesetzt oder
die verwendungs- oder zweckgebundene Leistung nicht anstelle einer Erhöhung des Arbeitslohns gewährt
wird."
Die Neuregelung soll am Tag nach der Verkündigung des Änderungsgesetzes in Kraft treten. Die Änderungen sollen infolge der Anwendungsregelung in § 52 (1) EStG für alle Lohnzahlungszeiträume des Jahres 2020 (bei laufendem Arbeitslohn) und für alle Zuflusszeitpunkte in 2020 (bei sonstigen Bezügen) gelten.
Zweiter Akt: Mit BMF-Schreiben vom 05.02.2020 zur Gewährung von Zusatzleistungen und Zulässigkeit von Gehaltsumwandlungen greift das Finanzministerium einer künftigen Gesetzgebung vor und erklärt per "Handstreich" die Rechtsprechung des BFH für nicht anwendbar - ein äußerst bemerkenswerter Vorgang! Es findet sich in diesem Schreiben eine überarbeitete Version der Formulierung im Referentenentwurf zur Grundrente. Es soll nun Folgendes gelten:
Im Sinne des Einkommensteuergesetzes werden Leistungen des Arbeitgebers oder auf seine Veranlassung eines Dritten (Sachbezüge oder Zuschüsse) für eine Beschäftigung nur dann "zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn" erbracht, wenn
1.die Leistung nicht auf den Anspruch auf Arbeitslohn angerechnet,
2.der Anspruch auf Arbeitslohn nicht zugunsten der Leistung herabgesetzt,
3.die verwendungs- oder zweckgebundene Leistung nicht anstelle einer bereits vereinbarten * künftigen Erhöhung des Arbeitslohns gewährt und
4.bei Wegfall der Leistung der Arbeitslohn nicht erhöht *
wird. Dies gilt im Hinblick auf den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung unabhängig davon, ob der Arbeitslohn tarifgebunden ist. Es sind somit im gesamten Lohn- und Einkommensteuerrecht nur echte Zusatzleistungen des Arbeitgebers steuerbegünstigt. *Hervorgehoben sind die Passagen, die sich im Vergleich zum Referentenentwurf verändert haben.
Dritter Akt: Im Regierungsentwurf der Grundrente, der am 19.02.2020 verabschiedet wurde, ist die steuerliche Neuregelung nicht mehr enthalten. Es gilt damit als "Patch" das BMF-Schreiben vom 05.02.2020. Nicht ausgeschlossen, dass es zu einem weiteren Aufzug in einem späteren Gesetz - spätestens im Jahressteuergesetz 2020 kommt.
Hinweis
1.Das BMF-Schreiben ist anwendbar bei Sachbezügen, aber auch bei der Förderung für Niedrigverdiener gemäß § 100 EStG.
2.Man erkennt deutlich den Willen der Finanzverwaltung, die "Klarstellung" schnellstmöglich umzusetzen. Sie könnte auch ohne Weiteres Eingang in ein anderes Artikelgesetz finden.
3.Für die betriebliche Altersversorgung ist im BMF-Schreiben klargestellt, dass bei der Gestaltung des Lohnverteilungsspielraums zwischen Gehaltserhöhung (Barlohn) und künftigen Leistungen zur bAV (Versorgungslohn) die Neuregelung nicht greift - es sei denn, die Lohnerhöhung war schon vereinbart. Das ist positiv. Denn letztlich verkürzt jede arbeitgeberfinanzierte Leistung den Lohnverteilungsspielraum.
4.Der Punkt 4 im BMF-Schreiben sollte sehr schnell dort geprüft werden, wo Arbeitnehmer*innen in sogenannten Cafeteria-Modelle zwischen bAV bzw. Sachbezug und mehr Lohn wechseln können.
5.Für den Förderbeitrag bAV nach § 100 EStG wünscht man sich die Klarstellung, dass sog. Matching-Contribution-Modelle, die weit verbreitet sind, mit Blick auf die arbeitgeberfinanzierte Leistung förderfähig sind.
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